Ich wollte eigentlich Fußball spielen. Aber da war mein Vater dagegen, weil er sich selbst damit die Knochen kaputt gemacht hat. Deshalb bin ich mit zwölf Jahren zum Schwimmen gegangen. Für den SC Rote Erde habe ich auch schon zwei Deutsche Jahrgangsmeistertitel über 200 Meter Brust geholt. Allerdings war es einfach so, dass man beim SC Rote Erde Wasserballer wurde. Hansi Schepers war mein erster Trainer. Er hat nur leider den Fehler gemacht, dass er mir den Ball auf die rechte Hand zugespielt hat. Ich wurde beim Wasserball also Rechtshänder, obwohl ich eigentlich Linkshänder war.
Deiner Karriere scheint das aber nicht allzu sehr geschadet zu haben. Wie war das, als du in die erste Mannschaft gekommen bist, mit all den berühmten Meisterspielern?
Das war mit 16. Da spielten mit Benno Strasser, Lajos Nagy, Heinrich Kleimeier, Charly Berg, Anton Hoffmeister und Dieter Buchbinder gleich mehrere Olympioniken. Am Anfang musste ich Hoffmeister, Strasser und Nagy siezen. In der Mannschaft gab es noch eine echte Hierarchie. Das „Du“ wurde mir erst angeboten, nachdem ich schon mehrere Länderspiele absolviert hatte. Das erste war mit 18, ein 3:3 in Hamm gegen Rumänien.
Wer in der Mannschaft hat dir eigentlich den Spitznamen „Filz“ gegeben – und warum überhaupt?
Den Namen habe ich bekommen, weil ich damals so lange und verfilzte Haare hatte. Das trug man ja so. Verpasst haben ihn mir wahrscheinlich Heinrich Kleimeier oder Charly Berg.
Du hast auch noch den legendären Arthur Dewitz als Trainer erlebt, unter dem der SC Rote Erde sieben seiner elf Meistertitel geholt hat. Welche Erinnerungen hast du an ihn?
Dewitz hatte so eine Art: Entweder konnte er dich leiden – oder nicht. Mich konnte er zum Glück leiden. Er war schon auch eine väterliche Figur. Dewitz hat mir mal 3000 Mark geliehen, damit ich mir ein Auto kaufen konnte, um zum Training zu fahren. Ich habe ja in Aachen studiert. Das Geld war zwar zinsfrei, aber ich musste es ihm bis auf den letzten Pfennig zurückzahlen.
1969 hast du deinen ersten Meistertitel mit dem SC Rote Erde Hamm geholt. Wie war das damals?
Das war wirklich unglaublich. Die Endrunde wurde ja in Hamm ausgerichtet. Zu jedem Turnierabschnitt kamen 3000 Leute ins Jahnbad. Die Stimmung war absolut fantastisch. Am Samstagmorgen waren alle Schulen eingeladen. Da war dann noch mehr los. Der SC Rote Erde war damals auch gesellschaftlich eine echte Nummer. Da gaben sich Politik und Wirtschaft die Klinke in die Hand.
Was für ein Spielertyp warst du eigentlich? Man hört du seihst ein ziemlich harter Hund gewesen.
Ich habe sicher auch mal was auf die Nase gegeben. Aber die hatten das dann auch verdient. Ich war ein guter Schwimmer, beweglich, hatte gute Beine und habe das kreative Spiel gemocht. Am Anfang war ich Stürmer, zum Schluss eher Verteidiger.
Gibt es ganz besondere Momente, an die du dich als Wasserballer zurückerinnerst?
Einer war sicherlich die erste Deutsche Meisterschaft in Hamm. Aber auch den vierten Platz bei den Olympischen Spielen 1972 in München, mit Hans Schepers als Trainer, werde ich nie vergessen. Wir haben Italien und Jugoslawien hinter uns gelassen und ein Unentschieden gegen Ungarn geholt. Das hat die Ungarn den Olympiasieg gekostet.
Und deine bittersten Momente?
Wenn wir mit Rote Erde nur Zweiter geworden sind, war das immer ganz schlimm. Auf internationaler Ebene war es sicherlich das Spiel gegen Italien bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal, als wir von einem russischen Schiedsrichter gnadenlos verpfiffen wurden. Nach zwei Vierteln hatte er schon drei Leistungsträger von uns rausgeworfen. Ich gehörte auch dazu. Ich bin mir auch heute noch sicher, dass der Russe Geld von den Italienern bekommen hat. Das war auch deshalb bitter, weil unsere Mannschaft eigentlich sogar noch stärker war als 1972.
Als 180-facher Nationalspieler hast du sicherlich auch viele Angebote von anderen Clubs bekommen. Warum bist du dem SC Rote Erde immer treu geblieben?
Tatsächlich habe ich kein einziges Angebot von einem anderen Verein bekommen. Die wussten ganz genau: Ich hätte den SC Rote Erde nie verlassen. Ich werde auch bis an mein Lebensende in diesem Verein bleiben. Ich habe so viele positive Erlebnisse gehabt, dass ich auch immer bereit war, etwas zurückzugeben.
Es gab aber bestimmt auch eine Reihe von Momenten, in denen du dir Sorgen um den Verein machen musstest…
Das war sicherlich öfter der Fall, zum Beispiel, als wir in den 2000er Jahren unser Clubgelände an die Stadt zurückgegeben haben und in finanziellen Schwierigkeiten waren. Aber es gab in solchen Situationen immer wieder Leute wie Benno Strasser, die Familie Glänzer oder Hans Zapf, die mit anderen zusammen den Verein am Leben gehalten haben. Ohne sie gäbe es den SC Rote Erde nicht mehr. Da müssen wir wirklich dankbar sein.
2015 hat sich der SC Rote Erde dem TuS 59 Hamm angeschlossen, ist seitdem kein eigenständiger Verein mehr. War das für dich als langjähriges Mitglied ein schwerer Schritt?
Das war die beste Entscheidung, die der Verein in dieser Situation treffen konnte. Die Mitgliederzahlen gingen schon seit vielen Jahren zurück. Das hat sich nun wieder ins Gegenteil umgekehrt. Hier wird wirklich eine supergute Jugendarbeit geleistet, die sich auch wieder positiv auf die Mitgliederzahlen auswirkt. Das sehe ich mit großer Freude.
Du spielst nach wie vor gelegentlich in der Dritten Mannschaft, trainierst regelmäßig und nimmst an Masters-Welt- und Europameisterschaften teil. Woher nimmst du mit fast 70 die Motivation dafür?
Da will ich ehrlich sein: Es ist die Sucht nach Erfolg. Das, was mir ein Leben mit dem Wasserball gegeben hat, hätte mir ein normales Leben nie geben können. In diesem Jahr geht es zur Masters-WM in Südkorea. Das Adrenalin ist immer noch voll da. Vielleicht sogar zuviel.
Das Interview führte Christian Bohnenkamp im Februar 2019